Schnittstellen zum Erfolg
Nachbericht
220 Touristiker diskutierten mit profilierten Expert-Speakern über die Themen: Schnittstellen zum Erfolg und Künstliche Intelligenz in der touristischen Praxis. Bus- und Gruppenreiseveranstalter tauschten sich in Halle (Saale) mit ihren Partnern entlang der Wertschöpfungskette über dynamisches Preis- und Angebotsmanagement sowie den Zugriff auf begehrte Tickets aus. Bei der zugrundeliegenden automatisierten Kommunikation sowie der Katalogerstellung spielt Künstliche Intelligenz eine immer größere Rolle – wie praktische Beispiele per ChatGPT spontan auf dem Branchenforum zeigten.
Nach den Orgelklängen „Sortie in B-Dur“ hielt Egbert Geier, Bürgermeister der Stadt Halle (Saale) in der imposanten Kulisse und Akustik der Konzerthalle Ulrichskirche seine Grußrede, in der er die Händelstadt als Destination und Partner der Bustouristik präsentierte und beeindruckende Sehenswürdigkeiten beleuchtete. Insbesondere auch das neue Zukunftszentrum Deutsche Einheit. Danach stellte Dr. Robert Franke, Geschäftsführer der Investitions- und Marketinggesellschaft mbH Sachsen-Anhalt die touristischen Attribute von Sachsen-Anhalt ins Rampenlicht.
Im Drehbuch des „Tag der Bustouristik“ wurden zunächst provozierende Thesen über die Diskrepanz im Zusammenspiel von Mensch und Maschine aufgestellt. Die Pandemie hat die Nutzung neuer Medien, die verfügbar und preisgünstig sind, rapide beschleunigt. Personalmangel und globaler Wettbewerbsdruck zwingen Touristikunternehmen zu Rationalisierung und Substitution von Fachkräften durch roboterisierte Kommunikation. Die Economies of Scale – Einkauf und Leistungserstellung in großer Zahl – begünstigen die Bündelung in Schnittstellen und deren Finanzierung. Die Pandemie hat auch bisherige Verhaltensmuster von Kunden gravierend verändert. Dieter Gauf belegte in der Einführung anhand neuester Daten der ReiseAnalyse, dass Senioren, die Hauptzielgruppe der Bustouristik, das Internet immer stärker zur Information und Buchung nutzen.
KI ist die Schlüsseltechnologie dazu, wie Vincent Dewaele, General Manager der BUSWORLD International in seinem Keynote „Der Reisebus: Bühne einzigartiger Erlebnisse der modernen Gesellschaftsreise“ demonstrierte. Zunächst schilderte er mehrere Szenarien wie modernste Bustechnologie technische, verkehrliche und gesellschaftliche Herausforderungen lösen kann, Dazu zählen auch Klima- und Umweltschutz, wozu gerade auch mit Wasserstoff betriebene Busse punkten können. Nach großem Beifall für diese Rede enthüllte er, dass sie mithilfe von KI erstellt wurde – mithin ein Aufschlag zu einer spannenden Debatte.
Gerhard Griebler, Vorstand von aovo Touristik, substantiierte in seinem Keynote die These, dass ohne funktionierende Schnittstellen nichts mehr geht. Dynamische Preise und Verträge sind anstelle ausgehandelter statischer Abmachungen getreten. Globale Konzerne, die immer mehr Anbieter beherrschen, vertreiben ihre Kontingente über mengen- und umsatzorientierte Bündel und Schnittstellen. Am Anfang waren es Datenautobahnen, aus denen sich Schnittstellen mit limitierten Zugängen entwickelten. Heute können die unterschiedlichsten Produkte in Echtzeit mit tagesaktuellen Raten einzeln oder als Bestandteil eines Paketes gebucht
werden. Augenblicklich gleichen die Systeme Verfügbarkeiten und Preise ab, verarbeiten Buchungen oder Payments – B2B, B2C. Wer über keinen Zugang zu Schnittstellen verfügt bleibt außen vor. Persönliche Ansprechpartner gibt es kaum noch, was eine traditionelle Branche wie die Bus- und Gruppentouristik besonders betrifft.
Brisanter Stoff für die kollegialen Gespräche und persönlichen Austausch von Teilnehmern und Experten in der Pause, nach der Johannes Hübner, die Diskussionsleitung übernahm. Der als Bussicherheitsexperte in TV und Rundfunk bestens bekannte Moderator konnte zum Jahresauftakt positive Erkenntnisse der Reise-Bussicherheits-Iniative RBI verkünden: Mit nur 12 relevanten Ereignissen in Deutschland im Berichtszeitraum 2023 war dies die niedrigste Anzahl seit Einführung des Sicherheitsmonitoring 2004.
Diskussion der Keynote-Speaker und Experten mit den Teilnehmern.
Birgit Vetter, Geschäftsführerin Vetter Touristik Reiseverkehrs Gmbh, des größten Busverkehrsunternehmens in Sachsen-Anhalt, vertrat die Position der Bus-unternehmerschaft in der Expertenrunde und schilderte „die neue Zusammenarbeit der Bustouristik mit Leistungsgebern aus Hotellerie und Events“. Sie wies auf die Bedeutung von Schnittstellen hin, deren Vereinheitlichung zur rationellen, raschen Abwicklung beitrage. Man müsse sich den Methoden des Marktes anpassen und sich an Entwicklungen ankoppeln, um davon zu profitieren. Allerdings sei es wichtig, dass Reiseveranstalter ihre Individualität behielten.
Adriano Matera, Präsident des VPR Internationaler Verband der Paketer und Geschäftsführer von Service Reisen, dem größten deutschen Paketreiseveranstalter, stellte sich der Frage „wie Gruppenreiseveranstalter noch Zugriff auf begehrte Tickets erhalten“. Angesichts der von Gerhard Griebler und Birgit Vetter beleuchteten Schnittstellen-Problematik können Paketreiseveranstalter einerseits das für den Zugang zu Schnittstellen erforderliche Volumen sowie andererseits die technischen Anforderungen für den Anschluss an die Schnittstellen bieten. Moderator Johannes Hübner hinterfragte dazu auch eine Demokratisierung des Zugangs zu den Anbietermärkten und die Zukunft von individuellen Maßanfertigungen, die nicht in standardisierte Warenkörbe passen.
Wie wird KI in der touristischen Praxis angewendet?
Die Hotellerie hat schon früh, gerade auch wegen akuter Personalengpässe, mit rationeller automatisierter Kommunikation reagiert. Der Einsatz von KI ist ein konsequenter Schritt. Maurice Masternak, Director of Business Development, Ahorn Hotels & Resorts, zeigte an konkreten Bespielen, wie man mit KI Angebote und verblüffende Bilder generieren kann. Live adaptierte er vorhandene Bilder und entwickelte aus Ideen ganz neue künstliche Bildkombinationen von Menschen und atemberaubenden Landschaften. Unabhängig von diesen Möglichkeiten betonte er, in seiner Hotelkette nach wie vor auch persönliche Key-Accounter und Personal in der Gruppentouristik einzusetzen.
Internationale Perspektiven brachte Jay Munro-Michell, Senior Market Manager von ETOA European Tourism Association ein. Thema seines Expert-Statements: „Internationale Reiseveranstalter und Einkaufsforen in der Ära von Artificial Intelligence“. Munro konnte dabei auf Erkenntnisse der von ETOA weltweit veranstalteten touristischen Workshops und B2B Plattformen aufbauen. Schnittstellen und Datennetzwerke sind für globale Geschäfte der buyer und supplier gerade im Commonwealth entscheidend. Trotzdem, und gerade wegen der Vielfalt der Daten und Geschäftsbeziehungen, ist der persönliche Austausch und face-to-face Networking unverzichtbar, um die persönlichen Kontakte und Vertrauen unter den Akteuren aufzubauen.
Welche Konsequenzen haben diese Entwicklungen für Buspiloten, Reiseleitungen, Gästeführer und Servicekräfte sowie Reisegäste unterwegs und im Zielgebiet? Wie gehen sie mit Standard- und Extremsituationen um, wenn in den Hotels und Events keine versierten Empfangs- und Betreuungskräfte mehr verfügbar sind? Wenn sie bei Verzögerungen und Verkehrsproblemen keinen Ansprechpartner erreichen, sondern mit „press # for more information“ in der Warteschleife hängen – genauso wie die Endverbraucher? Lars- Peter Rudorff, Reisebusfahrer aus Leidenschaft berichtete aus der und über die Praxis an den Schnittstellen zwischen Kunden, Locations und Events.
Damit rückte Moderator Johannes Hübner das Thema Personalmangel in den Fokus der Tagung und rief mehrere „Zwischenrufe“ und sachdienliche Hinweise dazu hervor. Aus seiner Sicht haben die Dialoge und das konkret vermittelte Know how dazu beigesteuert, die Teilnehmer bis zum Tagungsende in Bann zu halten.
Zum Schluss der Veranstaltung überraschte Willy Della Valle an der Spitze einer 10-köpfigen Unternehmer Delegation aus Italien die Tagungsleitung. Er überreichte Dieter Gauf eine Ehrenplakette des Confartigianato Bus Operator für Verdienste um die Reisebusbranche.
Veranstalter Dieter Gauf und Projektleiter Wolfgang Gauf dankten Halle Stadtmarketing für die vorzügliche Gastfreundschaft. Das attraktive Ausflugsprogramm am Vortag, die faszinierende Lichterschau von 1001 Nacht am Bergzoo vor dem kollegialen Get-together mit schmackhaften Speisen und prickelnden Getränken in der Kultgaststätte „Krug zum Grünen Kranz“ hatten Appetit gemacht auf das Branchenforum am Montag, 15.Januar 2024 in der Ulrichskirche, eine der originellsten Locations des „Tag der Bustouristik“.
Dieter Gauf dankte allen Experten, dem souveränen Moderator und den Teilnehmern ohne die dieser Branchentreff nicht möglich wäre. Mehrere haben sich bereits spontan zum 42.“Tag der Bustouristik“ 2025 angemeldet.
Stabübergabe: Marie Kristin Gering und Daniela Rühs, Stadtmarketing Halle (Saale), die über ein Jahr lang engagiert und versiert den 41.“Tag der Bustouristik“ in Halle vorbereitet und erfolgreich und flexibel mit dem Tagungsteam zusammengearbeitet haben, vollzogen auf der Bühne die „Stabübergabe“ an den nächsten, dann 42. „Tag der Bustouristik“, der am 20. Januar 2025 in Bremerhaven stattfindet. Marc Reichelt kündigte an, im Jahr der „SAiL Bremerhaven“ an den Erfolg von Halle anzuknüpfen und präsentierte einen spannenden Film.